Die Vorsorgevollmacht – ein rechtliches Muss
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt in einem Artikel vom 22. Januar 2015:
“Die Angst vor Entmündigung: Vollmacht, Testament, Patientenverfügung: So stellen Sie sicher, dass Ihr Wille auch im Alter respektiert wird. Wer zu lange zögert, kann böse Überraschungen erleben.”
Es wird folgender Fall geschildert, der jeden treffen kann:
“Fast ihr ganzes Leben haben Martha und Otto Simmerl geteilt. Eiserne Hochzeit haben sie sogar gefeiert. Doch am Ende war sie nicht mehr die Richtige für ihn – so fand jedenfalls das Gericht. Als ihr Mann einen Schlaganfall erlitt, bestellte die Behörde einen Betreuer, der von nun an über die medizinische Behandlung und die Familienfinanzen verfügte. Die Begründung: Martha Simmerl sei immerhin schon 85 und gesundheitlich selbst nicht mehr auf der Höhe. Und die übrigen Familienangehörigen lebten zu weit weg. Familie Simmerl war geschockt…. Viele haben Angst vor so einer Form von Entmündigung.” (den ganzen Artikel können Sie hier nachlesen)
Genau deshalb ist die Vorsorgevollmacht ein rechtliche Muss.
Niemand denkt gerne an die Situation, dass er handlungs- und entscheidungsunfähig in der Klinik liegt. Und dennoch geschieht dies täglich tausendfach: Krankheit, Unfall können jeden jederzeit treffen. Darüber hinaus droht im Alter die Demenz. Nach Schätzungen sind etwa „4% aller über 65jährigen vom Risiko der senilen Demenz betroffen, bei den über 85jährigen sind es bereits 25%“.
Geregelt ist für diese Fälle häufig nichts. Das trifft dann die Angehörigen umso härter. Muss schnell gehandelt werden, besteht oft keine Möglichkeit auf Bankkonten, Vermögenswerte zuzugreifen und die notwendigen Dispositionen zu treffen. Nicht selten sind in diesen Fällen auch medizinische Entscheidungen zu treffen (z.B. Durchführung einer Operation etc.). Zum persönlichen Schmerz kommt dann die Rechtsunsicherheit hinzu. Das Gericht muss in einem länger dauernden Verfahren einen Betreuer bestellen, der dann für den Betroffenen die Entscheidungen trifft.
Im deutschen Recht gibt es eine gesetzliche Vertretung nur bei Eltern für ihre minderjährigen Kinder. Ehepartner haben kein Recht, Entscheidungen für ihren nicht handlungsfähigen Partner zu treffen und auch Kinder dürfen keine rechtlichen Maßnahmen für die Eltern veranlassen. In all diesen Fällen muss z.B. auch der Ehepartner bei Gericht einen sogenannten Betreuer bestellen lassen. Das Gericht wählt dabei als Betreuer die Person aus, die ihm am geeignetsten erscheint. Das kann, muss aber nicht der Partner oder nächste Verwandte sein. Häufig – z.B. wenn dem Vormundschaftsgericht der Partner schon zu alt oder die Kinder nicht geeignet erscheinen – werden auch professionelle Fremdbetreuer (Berufsbetreuer, Rechtsanwälte etc.) eingesetzt – manchmal sogar gegen den Willen der nächsten Angehörigen. Der Betreuer entscheidet dann alle Fragen des Betreuten. Er kann dies auch gegen den Willen des Ehepartners oder nächster Verwandter. Berufsbetreuer erhalten für ihre Tätigkeit eine Vergütung, die nicht unerheblich sein kann.
Leben Sie in einer sogenannten nichtehelichen Lebensgemeinschaft, dann ist die Vorsorgevollmacht ein Muss. Denn im Falle der Krankheit oder eines Unfalls hat der Lebenspartner keinerlei Rechte gegenüber dem Krankenhaus, Ärzten, Behörden und der Bank. Er erhält keine Einsicht in die Krankenunterlagen, darf keine medizinischen Entscheidungen für den Kranken treffen. Dies kann nur durch eine Vorsorgevollmacht erreicht werden.
Der rechtliche Hintergrund
Hier hat der Gesetzgeber aber Möglichkeiten vorgesehen, den eigenen Willen zu verwirklichen und eine Person seines Vertrauens für diese Fragen einzusetzen: dazu bedarf es einer sogenannten Vorsorgevollmacht.
Das seit 01.01.1992 geltende neue Betreuungsrecht geht vom Grundsatz der Subsidiarität aus. Nach § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB ist eine Betreuung nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Ziel der Vorschrift ist es, eine Betreuung zu vermeiden, wenn sich der Betroffene selbst zu helfen weiß, etwa durch einen Bevollmächtigten.
Im Hinblick auf diese gesetzgeberische Vorgabe hat sich in der notariellen Praxis ein besonderer Typ der Vollmacht – die sogenannte Vorsorgevollmacht – entwickelt. Mit einer solchen Vorsorgevollmacht kann man zu Zeiten, zu denen man noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist, eine Person seines Vertrauens (z. B. den Ehegatten, Kinder) bevollmächtigen, für einen Entscheidungen selbständig zu treffen, wenn man dazu selbst nicht mehr in der Lage ist, weil man beispielsweise infolge eines Unfalls im Koma liegt oder an altersbedingter Geistesschwäche leidet.
Der Bevollmächtigte handelt dann quasi wie ein vom Vormundschaftsgericht bestellter Betreuer und kann diesen sogar ersetzen. Ein gerichtliches Verfahren ist dann nicht mehr notwendig.
Der Bevollmächtigte kann Vermögensentscheidungen, aber auch Entscheidungen im Rahmen der Gesundheitsfürsorge für den Betroffenen treffen. Eine derartige Vorsorgevollmacht spart den Betroffenen und ihren Angehörigen Ärger und gibt dem Vertrauten die Möglichkeit, alle Dinge für den Kranken zu erledigen. Der Bevollmächtigte entscheidet allein und steht insbesondere nicht unter der Aufsicht des Gerichtes.
Wer soll Bevollmächtigter sein?
Wegen des besonderen Vertrauenscharakters der Vorsorgevollmacht sollte ein Mensch ausgewählt werden, dem man voll vertraut. In der Regel wird dies der Ehepartner, der Lebensgefährte, ein naher Freund oder ein erwachsenes Kind sein. In Einzelfällen sind auch ihr Steuerberater oder ein bekannter Rechtsanwalt oder Notar – natürlich gegen Honorierung – bereit, diese verantwortungsvolle Aufgabe wahrzunehmen. Wichtig: Anders als beim Betreuer findet beim Bevollmächtigten keine Überwachung durch das Vormundschaftsgericht statt. Das ist gerade der Vorteil der Vollmacht. Der Vollmachtgeber kann aufgrund der Krankheit keine Kontrolle ausüben. Daher: Vorsorgevollmacht nur an Vertraute oder Vertrauenswürdige!
Inhalt der Vorsorgevollmacht
Vermögensrechtliche Angelegenheiten
Damit eine Vorsorgevollmacht eine Betreuung im Bedarfsfall überflüssig machen kann empfiehlt es sich, den Umfang der Vollmacht weitestmöglich auszugestalten. Daher werden Vorsorgevollmachten in der Regel als Generalvollmachten erteilt. Generalvollmachten berechtigen zur Vornahme von allen Rechtsgeschäften und geschäftsähnlichen Handlungen, bei denen eine Vertretung zulässig ist. Diese setzt allerdings wegen der unbeschränkten Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten insbesondere im rechtsgeschäftlichen Bereich eine spezifische Vertrauensstellung voraus, auf die die Beteiligten hingewiesen werden sollen. Generalvollmachten kommen daher wohl nur bei engen vertrauensvollen familiären Beziehungen in Betracht, bieten aber den Vorteil, dass im Vollmachtsfall keine Beschränkungen vorliegen, die im Einzelfall Rechtsgeschäfte verhindern. Alternativ kommen auch beschränkte Vollmachten in Betracht, die sich nur auf bestimmte Rechtsgeschäfte oder Geschäftskreise beschränken (z.B. Rechtsgeschäfte bis zum Wert von 3.000,– €). Dies muss im Einzelfall mit den Beteiligten geklärt werden. Da man aber bei der Erteilung der Vollmacht noch gar nicht weiß, für was die Vollmacht im Ernstfall gebraucht wird, ist eine Generalbevollmächtigung die bessere wahl, die in allen vermögensrechtlichen Situationen hilft.
Personensorge
Die Personensorge betrifft Fragen der ärztlichen Behandlung (Durchführung von Operationen usw.), Unterbringung im Pflegeheim, Eingriffe in die Bewegungsfreiheit (z.B. Beckengurt im Rollstuhl oder Bettgitter usw.). Gegenstand der Vorsorgevollmacht können in diesem bereich sein:
- Gesundheitsfürsorge
- Regelungen über Aufenthaltsort (Einweisung in Krankenhaus oder Pflegeheim)
- Recht für den Bevollmächtigten zur Einsicht in Ihre Krankenakten
- Besuchsrecht am Krankenbett – auch bei intensiv-medizinischer Behandlung
- möglichst weitgehendes Mitbestimmungsrecht des Bevollmächtigten in Fragen der Heilbehandlung
- Übertragung der Entscheidung in Hinblick auf mögliche Transplantationen, soweit rechtlich zulässig.
Hier verlangt das Gesetz, dass diese Maßnahmen ausdrücklich(!) in der Vollmacht aufgezählt sind, allgemeine Formulierungen genügen nicht und machen die Vollmacht unbrauchbar. Am besten wiederholt man hier die gesetzlichen Vorgaben: Nach § 1904 Abs. 2 S. 2 BGB ist die Einwilligung eines Bevollmächtigten in ärztliche Maßnahmen i. S. von § 1904 Abs. 1 S. 1 BGB (Untersuchung des Gesundheitszustands, Heilbehandlung oder ärztlicher Eingriff) nur wirksam, wenn die Vollmacht (mindestens) schriftlich erteilt ist und sie die genannten Maßnahmen ausdrücklich umfasst. Auch die Unterbringung durch einen Bevollmächtigten, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, sowie freiheitsentziehende Maßnahmen eines Betreuten, der sich bereits in einer Anstalt, einem Heim, oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente, oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßige Freiheitsentziehung, setzen ebenfalls nach der Neuregelung voraus, dass die Vollmacht schriftlich erteilt ist und die genannten Maßnahmen ausdrücklich in der Vollmacht genannt werden.
Recht zu Geschäften mit sich selbst
Die Erteilung einer Vorsorgevollmacht setzt ein besonderes Vertrauensverhältnis voraus. Regelmäßig ist es daher auch gerechtfertigt, wenn der Bevollmächtigte von den Beschränkungen des § 181 BGB vollständig befreit wird. Der Bevollmächtigte kann dann Geschäfte mit sich selbst abschließen, z.B. einen Pflegevertrag o.ä.
Patientenverfügungen können und sollten daher zusammen mit Vorsorgevollmachten im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer registriert werden.
Weitere Links:
Vorsorgeregister
Notare Bayern